Eine weibliche Führungskraft, die in einer Unternehmensberatung tätig ist, kommt nach einem Burnout mit einer sich selbst abwertenden Haltung ins Coaching. Vor allem verurteilt sie sich dafür, dass sie wegen ihrer Erkrankung ihrer Ansicht nach professionell gescheitert ist. Sie hat das Gefühl, versagt zu haben. Da sie sich gerade in der beruflichen Wiedereingliederungsphase befindet, ist sie sehr besorgt, erneut viel zu viel leisten zu wollen und zu scheitern. Ihr Anliegen ist, mehr Leichtigkeit und Gelassenheit zu entwickeln.
Im Vorgespräch zeigt sich, dass die Übernahme von Selbstverantwortung nicht von Grund auf mit ihr erarbeitet werden muss. Sie fühlt sich im Allgemeinen nicht als Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen. Weder macht sie ihre Firma noch ihr Umfeld dafür verantwortlich, dass sie als Führungskraft scheiterte – wie sie sich ausdrückt. Ihr ist also bewusst, dass sie auf sich selbst schauen muss. Im Coaching gilt es jetzt zu lernen, Verantwortung für die eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu übernehmen. Das heißt, sich mehr wahrzunehmen, sich eine Bedeutung zu geben und für sich einzustehen. Die Klientin wünscht sich, im Alltag erste Anzeichen für eine Überlastung rechtzeitiger zu erkennen, damit sie besser für sich sorgen kann. Sie möchte sich weniger über Leistung bzw. Erfolg oder Misserfolg definieren.
Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen der Klientin sind sehr in Mitleidenschaft gezogen. Sie hat große Angst, Fehler zu machen, vor allem nach dem beruflichen Wiedereinstieg nochmals zu scheitern. Ihre vorwiegende Haltung ist, dass sie nicht faul sein darf und etwas leisten muss. Falls sie noch einmal arbeitsunfähig werden sollte, befürchtet sie, nicht mehr kompetent bzw. nicht mehr attraktiv für ihren Arbeitgeber zu sein, herauszufallen aus dem System und nicht mehr dazuzugehören. Sie würde wohl ihre Sicherheit verlieren und sich nutzlos fühlen.
Die Klientin steht unter dem Druck, sich anstrengen und möglichst perfekt sein zu müssen. Ihrer Ansicht nach hat Leistung nur einen Wert, wenn sie auf Anstrengung basiert und perfekt erledigt wird. Davon macht sie ihr Selbstwertgefühl abhängig. Ich frage sie, ob eine Arbeit auch mal leichtfallen darf, und bekomme die entrüstete Antwort: „Dann ist sie aber nur halb so viel wert und taugt eigentlich nichts!“ Ich frage weiter: „Erzählen Sie mir doch mal, wer Sie sind, was Sie ausmacht, wenn Sie nichts tun und nichts leisten – genau das, was Ihnen keiner mehr nehmen kann?“ Diese Frage macht sie betroffen und stimmt sie nachdenklich. Hintergrund dieser Reflexion ist, dass sie sich ihren Selbstwert bewusst macht und ergründet, wer sie als Mensch jenseits von Leistung und Erfolg ist.
Im Verlauf des Coachings wird ihr Wunsch immer größer, ausdrücken zu können, ob und wann sie Pausen braucht. Demgegenüber steht ihre Anpassung an (vermeintliche) Erwartungen ihres beruflichen und privaten Umfelds. Dabei entsteht ein innerer Widerstand bei der Vorstellung, "Schwäche“ zu zeigen. Empfindsam bzw. verletzlich zu sein ist für sie gleichbedeutend mit „nicht passend“ und „nicht produktiv“ zu sein.
Die Klientin hat im Coaching inzwischen erfolgreich gelernt, wie sie sich abgrenzen kann. Wie sie "nein" sagen und sich ihrem Umfeld auch einmal von ihrer empfindsamen Seite zeigen kann. Vor allem, sich damit auch in Ordnung zu fühlen. Sie weiß, sie kann sich erlauben, nicht immer etwas leisten oder sich anstrengen bzw. perfekt sein zu müssen. Ihr Selbstwertgefühl und ihr Selbstvertrauen sind gefestigter. Insgesamt hat sie heute mehr Bewusstheit darüber, auf welche Weise sie sich bisher selbst in den Weg gestellt hat.
Für einen ersten Einblick in meine Arbeitsweise und mein Selbstverständnis als Coach und Beraterin stelle ich Ihnen reale Fälle aus meiner Arbeit vor. Sie sind anonymisiert und mit meinen Klienten abgestimmt.