Das Scheitern vor Augen

Wenn Führungskräfte befürchten, die Balance zu verlieren

Einerseits sollen Führungskräfte die unternehmerischen Entscheidungen unterstützen und intern umsetzen. Andererseits sollen sie auch die Anliegen ihres Teams nach oben vertreten und wertschätzend auf jeden Mitarbeiter eingehen. Dabei dürfen sie die eigene Balance bei allen beruflichen Anforderungen nicht aus den Augen verlieren. In diesem Spagat besteht die Gefahr, dass sie ihre Selbstfürsorge vernachlässigen – aus der Befürchtung heraus, beruflich zu scheitern.

Timo, ein Mittvierziger, arbeitet als Teamleiter in einer Marketingagentur. Er liebt seinen Job, aber in letzter Zeit hat ihn die Arbeit immer wieder zum Nachdenken gebracht. Es ist ein tolles Miteinander im Team – und Langeweile ist kein Thema. Jeden Tag gibt es neue Herausforderungen mit neuen Aufgaben. Doch die Arbeit ist auch ein Balanceakt zwischen kreativen und kommerziellen Ansprüchen, endlosen Meetings, knappen Budgets, engen Deadlines und zahlreichen Überstunden. 

Sein Alltag ist meist ein Konflikt zwischen den hohen Erwartungen seines Vorgesetzten, den vielfältigen Bedürfnissen seines Teams und seinem eigenen tiefen Wunsch, mehr für seine Familie da sein zu können. Am Ende eines Arbeitstags fühlt er sich zu Hause jedoch oft so, als würde er „nur noch stattfinden“, wie er es im Coaching bei mir formuliert. Denn er hat kaum noch Ressourcen, um sich mit seiner Familie zu beschäftigen. Timo glaubt, dass ihm das Ganze bald zu viel wird und er daran scheitern wird.

Raus aus dem Alles-recht-machen

Führungskräfte wie Timo stecken in einem Hamsterrad aus Verantwortlichkeiten und Entscheidungen fest. Davon getrieben, es möglichst perfekt und auch allen recht zu machen, kämpfen sie mit einem schlechten Gewissen und neigen dazu, ein mögliches Scheitern um jeden Preis zu vermeiden. 

Sie wünschen sich eine Verbesserung oder einen Neuanfang: ein Leben, in dem sie nicht nur „funktionieren“ und „stattfinden“, sondern ihre Rollen als Führungskraft und Familienmensch mit Wünschen und Bedürfnissen bewusster gestalten können. Was sie allerdings hindert, ist die große Angst vor möglichen Folgen, wenn sie tatsächlich damit beginnen, es „auch sich selbst recht zu machen”.

  • Sie befürchten, das Vertrauen ihrer Vorgesetzten und Mitarbeiter zu verlieren, wenn sie nicht mehr wie gewohnt performen. Der Kreislauf, in dem sie sich befinden, kann eine Blockade auslösen, die sie stagnieren lässt. Sie verharren in bekannten Strukturen und setzen den gewohnten Weg fort. Das ist immerhin vertraut und scheinbar besser zu bewältigen als die ungewisse Veränderung.
  • Sie vermuten, dass nicht nur sie selbst, sondern auch ihr Team und die Projekte unter den Veränderungen leiden werden. Dies führt zu einer lähmenden Angst davor, Selbstverantwortung zu übernehmen.
  • Die Sorge um die finanzielle Sicherheit wiegt besonders schwer. Allein die Vorstellung, nach einem Jobwechsel oder -verlust finanziell schlechter dazustehen, erhöht den Druck und schürt die Angst vor einem ersten Schritt.

Verstehen, warum etwas ist, wie es ist

Ich bespreche mit Teamleiter Timo, dass er von seinen Spekulationen bereits ausgebremst wird, bevor er überhaupt etwas riskiert. Nicht nur das Arbeitspensum, auch diese Last lässt ihn abends kraftlos auf dem Sofa zurück. Das Coaching soll ihm helfen, das ganze Chaos an Gefühlen und Sorgen zu sortieren, um dann Lösungswege zu finden. 

Im sicheren Rahmen des Coachings können Führungskräfte auf den Prüfstand stellen, was sie beschäftigt und welche Ziele sie für sich erreichen möchten. Sie können lernen, ihre inneren Antreiber zu verstehen und Prioritäten zu setzen, die nicht nur beruflichen Erfolg, sondern auch persönliches Wohlbefinden berücksichtigen. In ihrer Rolle als Führungskraft können sie daran arbeiten, besser mit Widersprüchlichkeiten umzugehen – sich zu erlauben, Grenzen zu setzen und so ihr inneres Gleichgewicht wiederfinden. 


Ein Coaching kann dabei unterstützen, verborgene Themen hinter einem aktuellen Problem zu identifizieren. Es hilft Führungskräften zu erkennen, wie sie sich im Weg stehen und „erfolgreich“ behindern. Es gilt, eine Unsicherheitstoleranz zu entwickeln, um mit Komplexität und Ambivalenzen besser umgehen zu können.