Was hindert uns daran, ein Wagnis einzugehen? Warum fehlt uns manchmal der Mut, den ersten Schritt zu wagen und ins Handeln zu kommen? Oft sind dabei widerstreitende Gefühle im Spiel, die sich im Impuls „ich würde ja gern …“ und in der gleichzeitigen Zensur „… aber ich traue mich nicht“ zeigen. Einerseits sind da eine Sehnsucht und Vorfreude auf das Neue und andererseits bremsen Befürchtungen, dass es bestimmt nicht gut gehen kann. Gründe für solche Zwiespälte finden sich oft in der eigenen Vergangenheit.
In unserem Handeln und Entscheiden sind wir – bewusst oder unbewusst – oft von unseren Eltern und Großeltern geprägt, die aus ihrer eigenen Biografie heraus eher ängstlich und sicherheitsorientiert waren. Sie zeigen dann wenig Verständnis für die „brotlosen Künste“ ihrer Kinder und können entsprechend auch keinen Rückhalt bieten. Auch der Partner, der Freundeskreis oder die Kollegen können uns als „Bedenkenträger“ bei einer Neuerung ausbremsen, etwa mit Statements wie „Ich könnte das ja nicht …“, „Meinst du, das ist etwas von Dauer?“ oder „Hast du dir das auch wirklich gut überlegt?“. Anstatt zu bestärken entmutigen sie, wenn man einen Weg wählt, der sich weniger mit ihren Vorstellungen oder Wertgefügen deckt. Für den Erhalt solcher Bindungen verzichten nicht wenige Menschen dann auf ihren Traum.
Eine Klientin berichtete einmal im Coaching, flüsternd – und als ob sie ein Geheimnis verrät, von ihrer Liebe für die Gestaltung von Mosaiken aller Art, und dass sie davon träumt, mehr aus ihrer Leidenschaft zu machen. Mosaike berühren und faszinieren sie. Auf meine Frage, ob dies vielleicht eine Option für eine Selbstständigkeit und damit eine Alternative zum ungeliebten, mittlerweile auch sehr belastenden Job sein könnte, antwortete sie: „Darüber nachgedacht habe ich schon. Ich liebe mein Hobby, aber nein, besser nicht. So etwas mit Kunst und Handwerk – das wird doch eh nichts und gelernt habe ich das ja auch nicht. Dann bleibt es eben nur ein Hobby.“ Besser realistisch bleiben und ein sicheres Einkommen haben, so dachte sie. Und was wäre, wenn sie damit scheitert? Wie steht sie dann da? Diese vorsichtige und ängstliche Art hatte sie so tief verinnerlicht, dass es sie daran hinderte, sich kreativ zu entfalten. Es hatte sie in einen Job geführt, den sie zwar bestens beherrscht, der ihr aber keine echte Freude bereitet.
Wir überlegten gemeinsam, wie meine Klientin dennoch für sich klären könnte, ob ihr Traum machbar ist, vorerst ohne Konsequenzen für den sicheren Job. Was hindert sie daran und was könnte es ihr leichter machen, solche Optionen zu prüfen? Als erste Maßnahme recherchierte sie eine Ausbildung an einer Mosaikbauschule – die Einzige in Deutschland – und absolvierte diese gleich mit Bravour. Mittlerweile hat sie sich ein Atelier eingerichtet, wo sie ihre Keramikarbeiten ausstellt und auf Anfrage Kundenwünsche realisiert. Sie freut sich, dass ihr Herzenswunsch nun einen Platz in ihrem Leben hat. Ihr Ziel ist, bald voll selbstständig zu sein.
Der Fall meiner Klientin zeigt, dass viele Menschen biografisch bedingt oft zurückhaltend bei Entscheidungen sind, die ihr Leben betreffen. „Sicherheit geht vor!“, das ist so ein typischer Leitsatz, den viele von uns in jungen Jahren gehört haben: von Generationen, die noch den Krieg oder die von Sparsamkeit geprägten Nachkriegsjahre miterlebt haben. Weil sie selbst ein von Sicherheit geprägtes Dasein „vorlebten“ und wenig Ermutigung boten, bleibt später auch die individuelle Entwicklung der Kinder auf der Strecke.
Ich kenne das aus eigenem Erleben: Immer schon wollte ich ein Studium ergreifen, möglichst in meiner Traumstadt Hamburg. Da ich aus einer eher konservativ gearteten ländlichen Region stamme, war die Ansage: „Hauptschule reicht für Mädchen. Mädchen müssen nicht studieren. Mädchen heiraten – und dann sind sie sowieso versorgt.“ Auch für mich hatte es die Konsequenz, dass ich gegen vielerlei Widerstände angehen musste, bis ich meinen Studienabschluss schließlich doch in der Hand hielt.
Eltern tun manche Vorstellungen ihrer Kinder oft als Hirngespinste ab. Sei es die der jungen Frau, die einen MINT-Beruf ergreifen will oder Künstlerin werden möchte. Sei es die, dass Mädchen Fußball spielen oder zur Feuerwehr gehen möchten. Sei es die des jungen Mannes, der lieber nicht in den Familienbetrieb einsteigen und dafür gern eine Band gründen möchte. In den meisten Fällen tun sie das, ohne ihrem Kind tatsächlich schaden zu wollen. Im Gegenteil: Indem sie vorwegnehmen, was alles passieren könnte, oder indem sie festlegen, was sich geziemt, hoffen sie, potenziellen Schaden abzuwenden – und prägen so die Risikobereitschaft ihres Kindes entscheidend mit.
Die Herausforderung ist, tiefer zu ergründen, welches Potenzial in einem steckt und aus welchen Gründen nicht ans Licht kommen kann oder darf. Das muss nicht heißen, dass man sich von denjenigen verabschiedet, die Hürden aller Art schaffen. Vielmehr kann man zunächst einmal versuchen, ihre Perspektive einzunehmen: Warum tun sie das überhaupt? Wovon sind sie selbst bestimmt? Was hat das mit mir zu tun? Wovon bin ich bestimmt?
In diesem Perspektivenwechsel entsteht eine innerliche Distanz, die den Raum für Neues eröffnet. Damit der erste Schritt leichter fällt, braucht es Ermutigung und auch achtsame Bestärkung von Menschen, die den Nährboden für Wachstum und Entwicklung bereiten helfen.