Sie sind gescheitert und stehen an einem Wendepunkt? Jetzt runter vom Gas, Pause-Taste drücken und innehalten.
„Müßiggang ist jeder Laster Anfang". Oder: „Hinfallen ist keine Schande – nur liegen bleiben darf man nicht“. So tickt das System, in dem wir leben. Ein System, das die Angst vor dem Scheitern schürt.
Muße statt „muss" ist jedoch eine wertvolle Chance. Gerade wenn man sich im Gefühlszustand des Scheiterns reflektieren will. Man kann verarbeiten, was geschehen ist, und erkennen, wohin man wirklich will. Doch der fruchtbare Zustand des Nichtstuns ist in einer Zeit verloren gegangen, in der das Unterwegssein als erlaubte Lebensart definiert wird. Ich denke, man sollte insbesondere am Wendepunkt Muße walten lassen. Den meisten Menschen fällt jedoch genau das nicht leicht.
Weil bewusstes Nichtstun schwer fällt.
In unserer Gesellschaft gilt: Dynamisch und produktiv bleiben – nur kein Stillstand! Im beschleunigten Alltag ist die Zeit fürs Innehalten auch schwer aufzubringen. Es bedeutet schließlich Faulsein und verbietet sich. Neben dem schlechten Gewissen ist es mit der Vorstellung verbunden, Zeit zu verlieren. Denn Verlust von Zeit ist nutzlos und hält vom Zielstreben ab. „Viel tun“ scheint da effektiver, um das Scheitern im Nu wieder ungeschehen zu machen.
Weil die Niederlage schmerzt.
Misserfolge tun weh. Man muss sich schließlich eingestehen, dass man versagt hat. Ob man nun gekündigt wurde, sich vom Partner trennt oder die Selbständigkeit in den Sand gesetzt hat – diesen Schmerz will man nicht spüren!
Weil man sich schämt.
Anstatt sich eine Niederlage einzugestehen und sie nach außen selbstbewusst zu zeigen, macht man sich und anderen etwas vor. Zu groß ist die Scham, die Angst vor Häme und die Sorge, dass man den Makel nicht mehr los wird.
Weil man „erfolgsverpflichtet“ zu sein scheint.
Man glaubt, etwas vorweisen und Erwartungen erfüllen zu müssen, um vor sich selbst und dem eigenen Umfeld nicht als Verlierer zu gelten. Schließlich „müssen doch Lösungen her".
Weil man sein Scheitern oft auch nicht wahrhaben will.
Aus einer intuitiven Angst werden Warnsignale überhört und Tatsachen geleugnet. Das bedeutet: Augen zu und durch! Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Wenn man jetzt innehält – „nichts tut", ist die Befürchtung groß, dass man die eigene Situation nur noch verschlimmert. Also macht man weiter, als wäre nichts.
Innehalten bedeutet, „Zeit haben“ neu für sich zu entdecken. Man kann sich seiner selbst bewusst werden, das Geschehen überdenken und mit neuer Energie eine Richtungsänderung anstoßen. Es erfordert jedoch eine Zäsur, damit man in unserer Höher-schneller-weiter-Gesellschaft die Rastlosigkeit überhaupt unterbrechen kann. Dafür sollten Orte und Zeiten der Muße geschaffen werden, damit die Erfahrung des Innehaltens möglich wird.
Um am Ziel anzukommen, ist es sinnvoll, zunächst bei sich selbst anzukommen. Annehmen zu können, was gerade ist. Das ist nicht leicht, jedoch nur so kann die bislang eingeschlagene Richtung korrigiert und eine neue Route ins Auge gefasst werden.