Krisen wie die Corona-Pandemie werfen uns zurück auf das Wesentliche: Was ist existenziell? Was bleibt für uns bedeutsam? Und was nehmen wir daraus mit in die Zukunft – an Erkenntnis, Veränderung, Verbesserung?
Der Phönix aus der Asche ist eine bewährte Metapher für den Wandel und die Erneuerung. Wie ein Phönix aus der Asche können wir uns in der Pandemie jedoch noch nicht so ganz fühlen. Zu viele Tote hat es infolge der Virusinfektion weltweit gegeben und zu groß sind die Umbrüche wirtschaftlicher und persönlicher Art. Zu ungewiss ist auch die Dauer der Pandemie. Das sind die Fakten.
Dennoch: Wir haben relativ bald Wege gefunden, wie wir mit dem Daheimbleiben und Maskentragen gesundheitssichernden Abstand bewahren. Gemeinsam haben wir „die Kurve flach gehalten“ und Krankenhäuser so weit entlastet, dass sie sich auf Corona-Patienten besser einrichten konnten. Wir haben uns auf unterschiedlichsten Ebenen zusammengetan, um kreative Lösungen für den Alltag zu finden – für Homeoffice und Webkonferenzen, Homeschooling, Einkaufen, Nachbarschaftshilfen, grenzüberschreitende COVID-19-Forschung und vieles mehr. Nicht alles gelang perfekt, doch vieles gelang erstaunlich gut. Nun richten wir uns ein im Leben mit dem Virus.
In alter griechischer Sprache bedeutete „krisís“ Entscheidung oder Bewertung, später auch Zuspitzung. Eine Krise ist eine Störung im System, weil bestimmte Kontrollmechanismen versagt haben. Ab jetzt muss einiges neu bewertet werden – es muss gelernt werden, in Alternativen zu denken und zu handeln.
Selbstverständlich ist die Zahl der weltweiten Todesfälle katastrophal und mit vielen Einzelschicksalen verbunden. Doch im Allgemeinen bedeutet Krise nicht zwangsläufig, dass alles zum Untergang verdammt und zum Scheitern verurteilt ist, wie viele „Krisenorakel“ gerade angstvoll verkünden. Was bedeutet es aber, Angst zu haben? Angst informiert uns nicht über die Gefahren in der Welt, sondern darüber, was jeder Einzelne von uns gelernt hat, für gefährlich zu halten. So ist es auch nicht zielführend, sich von den Befürchtungen anderer leiten zu lassen. Sinnvoller ist es, sich mit seinen – meist unbewussten – Ängsten aus der Vergangenheit zu beschäftigen, die in Krisensituationen reaktiviert werden können. Sie fühlen sich zwar „real“ an, sind aber biografisch getriggert. Darum ist der kompetente Umgang damit so wichtig: Woher kommt meine Angst? Was löst sie bei mir genau aus und warum hindert sie mich, ins Tun zu kommen?
Provoziert formuliert meine ich, dass Krisen viel Gutes haben und oft auch das Beste sind, was einem Menschen passieren kann. Sie legen frei, was wesentlich ist und was Priorität bekommen sollte. Sie bringen auch unerwartete Alternativen hervor. Sie lassen uns schneller lernen und reifen und bringen wertvolle Erkenntnisse: vielleicht, dass unser bisheriges „Schneller, höher, weiter“ zu Asche verfallen könnte. Vielleicht gilt in der Zukunft eher „Langsamer, bewusster, menschlicher“ – das wünsche ich mir!
Krisen passieren. Wer eine Krise als positiven Wendepunkt annimmt, wer auch seine Ängste annimmt und lernt, mit ihnen fürsorglich umzugehen, kann sich wie der Phönix erneuern und hat die Chance, seine Zukunft zu gestalten. Jetzt ist der perfekte Zeitpunkt, zu fragen: Was ist mir wirklich wichtig im Leben?