Kennen Sie diesen Glaubenssatz? Er hat auch noch ein Geschwisterchen: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen!“ Was wollten Eltern und Großeltern vermitteln, wenn sie uns solche Lebensweisheiten auf den Weg mitgaben? Nun, vor allem wollten sie uns, der nächsten Generation, beibringen, was im Leben wichtig ist. Und sie wollten uns zu Fleiß und Strebsamkeit nicht nur erziehen, sondern regelrecht verpflichten.
Manchen geht es im Erwachsenenalter oft so: Sobald sie sich etwas Schönes oder etwas außerhalb des Üblichen gönnen, haben sie den Impuls, das rechtfertigen zu müssen. „Das habe ich mir jetzt aber verdient!“ – und geben sich entsprechend die Erlaubnis. Sie können sich nur dann etwas zugestehen, wenn sie hart dafür geschuftet haben. Das gilt für die neue Handtasche wie für den regelmäßigen Mittagsschlaf, die Extraportion Sahne auf dem Eis und den exklusiven Urlaub (eine bekannte Tourismusmarke nutzte das mal für ihren Slogan „… Sie haben es sich verdient!“).
Das Besondere muss nun einmal hart erkämpft sein – und Arbeit kann nicht leichtfallen. So hat es die Vorgeneration in den Nachkriegsjahren erlebt. Davon ist sie geprägt und so hat sie es weitergegeben: Man muss ranschaffen, schuften, klotzen, erst dann darf man kleckern.
Was allzu leicht von der Hand geht, kann demnach keinen Wert haben und wird hinterfragt. Nur Leistung, die mit großer Anstrengung verbunden ist, zählt wirklich. Dass führt dazu, dass Menschen Dingen, die ihnen im Alltag tatsächlich leicht von der Hand gehen, oder Erfolgen, die ihnen einfach zufallen, keine große Bedeutung beimessen. Sie haben die Überzeugung, das könnte nicht als „echte Arbeit“ durchgehen. Arbeit muss immer mühsam sein – etwas, das man erst hinter sich bringt, damit man überhaupt Annehmlichkeiten haben kann.
Manche Menschen neigen auch regelrecht zur Selbstsabotage und hinterfragen ein Talent, das andere bei ihnen ganz klar erkennen, als völlig abwegig: Das ist doch nichts, das ist doch viel zu einfach. Es gilt also, sich „ordentlich“ anzustrengen, deshalb wird die besondere Fähigkeit gar nicht erst gesehen. So fällt es ihnen oft schwer, ein Lob für ihre Leistung anzunehmen. Sie ist ihnen nichts wert, es fiel ja viel zu leicht.
Hinter dem Glaubenssatz „Ohne Fleiß kein Preis!“ steckt auch die Gewissheit, dass man versagen wird, wenn man es sich zu leicht macht. Man wird im Leben scheitern, wenn man nicht immer emsig wie eine Ameise bleibt. Erfolg ist kein Spiel, sondern harte Arbeit, und alles ist verbissen darauf ausgerichtet. Ein Scheitern soll durch Extrafleiß grundsätzlich ausgeschlossen werden. Was zählt, ist der Sieg!
Die Freude am Experimentieren bleibt dabei auf der Strecke, denn Arbeit und Spaß passen vermeintlich nicht zusammen. Warum darf das nicht sein? Warum kann ein Erfolgsweg nicht auch von Leichtigkeit und Freude geprägt sein? Warum dürfen nicht auch Rückschläge passieren? Letztlich ist doch das, was ein Mensch auf diesem Weg erlebt, seine Erfahrung, das wirklich Wertvolle. Ein mögliches Scheitern verliert an Bedrohung, wenn er sich auf das bisher Erreichte beziehen und sich damit identifizieren kann.
Was macht also stolz? Was erfüllt mit Zufriedenheit und Glück? Ist es ein Erfolgs-„Bauwerk“, das „mit viel Mühe“ errichtet und „mit aller Macht“ aufrechterhalten werden muss? Menschen, die von solchen Glaubenssätzen geprägt sind, haben sich von früh an einen „Streng dich an!“-Antreiber zugelegt. Sie haben das Gefühl, stets bemüht sein zu müssen, um mutmaßliche Erwartungen anderer erfüllen zu können. Ihre Arbeit führen sie eher mit Blick auf die Anstrengung und den Erfolg durch, weniger mit Blick auf den persönlichen Entwicklungsweg. Stehen sie vor Herausforderungen, sehen sie die Mühe, nicht das Spiel mit Chancen und Optionen. In der Folge bleiben die Leichtigkeit des Seins und die Lebens- und Arbeitsfreude auf der Strecke. Auf längere Sicht kann dies zu großer Erschöpfung und letztlich auch zum Burnout führen.
Leistung und Leichtigkeit sind jedoch kein Widerspruch, denke ich. Vielmehr sind sie eine ideale Kombination, die noch mehr kreatives Gelingen möglich machen kann. Meine Aufgabe als Coach ist es, Menschen darin zu unterstützen, ihren Wert in sich selbst zu spüren und sich vom „erfolgreich sein müssen“ unabhängiger zu machen.