Vielleicht war dies ja auch schon mal eine Ansage Ihrer Eltern: „Was du anfängst, bringst du auch zu Ende!“ Ein typischer Glaubenssatz, der fürs Leben prägen kann.
„Was du anfängst, bringst du auch zu Ende“, oder „Wer A sagt, muss auch B sagen“, diese Art Glaubenssatz kenne ich auch aus meinem Umfeld: Da haben die Eltern einer Freundin zum Abitur geraten, nur dann ein Studium aufzunehmen, „wenn sie es auch wirklich zu Ende bringt.“ Sie war die erste in ihrer Herkunftsfamilie, welche eine Universität besuchte. Damit traute sie sich, etwas zu tun, womit Eltern und Großeltern selbst keine Erfahrungen gesammelt hatten.
Mit diesem Glaubenssatz haben die Eltern jedoch auch Angst bei ihr geschürt: Was ist, wenn sie ihr Studium nicht abschließen würde? Wie steht sie dann da – wäre sie eine Versagerin? „Siehste“, würden die Eltern bestimmt sagen, „haben wir ja so kommen sehen!“ Entsprechend war ihr weiteres Leben davon geprägt, Vorhaben nur mit „wahrhafter Ernsthaftigkeit“ anzugehen – oder besser gleich sein zu lassen.
Hat man das einmal geschluckt, neigt man unbewusst dazu, sich immer wieder in seiner Risikobereitschaft einzuschränken. Vieles bleibt angstbesetzt, weil das Kind die Angst der Eltern übernommen hat und damit unter seinen Möglichkeiten bleibt. Manches traut man sich nicht oder nur nach langem Abwägen zu. Entscheidungen fallen da naturgemäß schwer. Und man bleibt stets in einer Anstrengung, weil man ja durchhalten will. Leichtigkeit darf nicht sein, denn wer es sich „zu leicht“ macht, erreicht sein Ziel nicht und scheitert. Der innere Antreiber dahinter: Nur wenn ich mich richtig anstrenge, bin ich ein wertvolles Mitglied in der Gesellschaft – und erst dann hat mein Erfolg einen Wert!
Mit dieser Angst im Gepäck fühlt man sich verpflichtet, sich möglichst nie eine Blöße zu geben und „tough bis zum Schluss“ zu bleiben. Ein Studienabbruch wäre damit ein gebrochenes Versprechen, ein totales Versagen. Ein Job- oder Projektverlust käme dem Ende der Welt gleich. Jede Absage weckt sofort Kompetenzzweifel. Pläne können endlos geschmiedet werden, ohne dass jemals zuversichtlich eine Entscheidung getroffen wird.
Glaubenssätze können durchaus auch selbst gewählte Mottos oder Einstellungen sein, die von persönlichen Werten bestimmt sind und nach denen wir leben möchten. In der Regel werden sie jedoch aus der Familie an uns herangetragen, die damit ihre Haltung und auch ihre Limitierungen weitergibt. Es muss noch nicht einmal sein, dass wir diesen Satz wörtlich so hören. Auch das vorgelebte Beispiel kann prägend sein: wie Eltern mit eigenen Herausforderungen umgehen. Beispielsweise wenn sie im ungeliebten Beruf verharren, in Ehen aushalten und Freundschaften pflegen, die sich längst überlebt haben.
Im Beispiel mit dem Studium: In diesem speziellen Glaubenssatz schwingen noch andere Themen mit. Die Eltern haben sich vielleicht gewünscht, dass ihr Kind etwas Solides lernt. Etwas, das eher den eigenen Vorstellungen und Kenntnissen entspricht („Was wird man denn mit so einem Studium?“, „Eine Bankausbildung wäre doch auch gut für dich!“). Sie selbst halten mit aller Macht an ihrer Sichtweise von Sicherheit fest. Nonverbal suggerieren sie damit auch, dass ihre Tochter „aus der Reihe tanzt“, vielleicht „etwas Besseres“ sein möchte oder gar „nur Rosinen im Kopf hat“.
Psychologisch gesehen favorisieren die Eltern den Pol der Zugehörigkeit. Dabei gilt: keinesfalls auffallen, ausbrechen oder (vermeintliche) gesellschaftliche Regeln verletzen. Der Gegenpol wäre Streben nach Individualität, was in ihrer Fantasie dazu führen kann, dass man einer Gemeinschaft nicht mehr zugehörig ist. Auch wenn sie insgeheim sicher stolz sind, fällt es ihnen schwer, vernehmbar dafür einzustehen, dass die Tochter studiert und einen anderen Status einnimmt.
Eltern möchten ihre eigenen, meist unbewussten Ängste nicht spüren. In ihrer Welt ist Scheitern schlimm und darf nicht sein. Sie fürchten um das Wohl ihres Kindes in der Zukunft – und um ihre eigene Stellung in einer Gemeinschaft: Was sagen die Nachbarn, wenn sie das Studium tatsächlich wieder abbricht? Deshalb wird ihr Kind nicht ermutigt und bestärkt, eher vorausgreifend „eingenordet“. Für sie fühlt es sich einfach risikofreier an, wenn man nicht so mutig nach den Sternen greift und besser auf dem Boden ihrer Tatsachen bleibt.
Gelingt es, diese Pflicht zum Durchhalten als Muster zu erkennen und anzunehmen, kann der Umgang mit Risiken, Freiheiten und Möglichkeiten neu erprobt werden. Es ist jedoch kein leichtes Unterfangen, sich einfach so davon zu lösen. Vor dem Aufbruch kommt das Infragestellen der bestehenden Wertmaßstäbe, auch der überkommenen Glaubenstraditionen im Elternhaus.