An beruflichen Perspektiven scheitern

Boreout und der Frust im Job

Ein, zwei Stündchen Arbeit, keine neuen E-Mails, kaum Telefonate: Gähnende Langeweile greift um sich und das Wenige an Arbeit wird von links nach rechts geschoben. Oder aber es gibt sehr viel zu tun, man kann kaum Luft holen und Pause machen, jedoch erscheint die Arbeit monoton und anspruchslos. So ähnlich sieht der Arbeitsalltag von Menschen aus, die vom Boreout-Syndrom betroffen sind.

Boreout ist ein Begriff, der verwendet wird, um eine spezielle Form von beruflicher Unzufriedenheit zu beschreiben. Es ist das Gegenteil des Burnout-Syndroms, bei dem Menschen aufgrund von Überlastung und Stress erschöpft sind. Beim Boreout-Syndrom fühlen sich Menschen unterfordert. Sie sind desinteressiert, lustlos, müde und alles in allem frustriert im Job. Ihre gesamte berufliche Situation erscheint ihnen perspektiv- und aussichtslos – und sie erleben sich dabei oftmals als gescheitert.

In einem beruflichen Umfeld, das sonst eher ständige Höchstleistungen fordert, wird eine Unterforderung am Arbeitsplatz allzu oft noch übersehen und in der Folge leider auch unterbewertet. Für die Betroffenen ist es jedoch gravierend: Warum werde ich nicht eingesetzt, nicht mehr herausgefordert, nicht in Projekte geholt? Warum sind die gestellten Aufgaben für mich immer so unbefriedigend? Bevor Körper und Seele Schaden nehmen, ist es an der Zeit, über das Geschehen grundsätzlich zu reflektieren.

Mache ich etwas falsch? Bin ich richtig?

Ein Boreout (von engl. „to be bored“ – gelangweilt sein) entsteht durch eine chronische Unterforderung oder mangelnde Herausforderung am Arbeitsplatz. Die Symptome ähneln denen eines Burnouts: Die Betroffenen erleben Erschöpfung, Apathie, ein Gefühl der Entfremdung und des persönlichen Versagens. Die Unterforderung am Arbeitsplatz, ob sie nun tatsächlich geschieht oder von den Betroffenen so empfunden wird, kann zu erheblichen Selbstzweifeln führen: Bin ich hier richtig? Bin ich noch richtig? Mache ich vielleicht etwas falsch? Das Gedankenkarussell ist angeschoben und dreht und dreht sich …

Die psychischen Auswirkungen und der ständige Zweifel an sich können das Selbstbild tiefgreifend beeinflussen und Arbeitskraft sowie Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Im besten Fall findet man dann Unterstützung bei Vorgesetzten oder im Kollegenkreis. Doch allzu oft müssen Betroffene immer noch mit sich selbst ausmachen, wie sie aus diesem Dilemma herauskommen.

Boreout – ein Luxusproblem?

Menschen verspüren den Wunsch, einen Zweck zu haben und einen Beitrag zu leisten. Wenn ihnen die Möglichkeit fehlt, Sinn in ihrer Arbeit zu finden, kann dies langfristig schädliche Auswirkungen haben. Viele Menschen haben jedoch Schwierigkeiten, das Gefühl der Unterforderung mit ihrem Selbstverständnis in Einklang zu bringen. In einer Gesellschaft, die ganz auf Leistung ausgerichtet ist, wird Langeweile daher oft als Luxusproblem gesehen – eines, das mit Scham verbunden ist. Obwohl es auf den ersten Blick nicht offensichtlich erscheinen mag, kann dieses Schamgefühl unterschiedliche Ursachen haben:

  • Gefühl der Unfähigkeit: Personen, die unter einem Boreout leiden, fühlen sich oft unfähig und geben sich selbst die Schuld daran, dass sie ihre Arbeit nicht angemessen erledigen oder die Erwartungen ihres Arbeitgebers nicht erfüllen können. Diese Gefühle von Unzulänglichkeit können Scham auslösen.
  • Sozialer Vergleich: Diejenigen, die unterfordert sind und das Gefühl haben, nicht produktiv zu sein, können sich schämen, wenn sie ihre Kollegen beobachten, die scheinbar engagierter arbeiten. Sie können sich fragen, warum sie nicht in der Lage sind, sich genauso zu motivieren und leisten zu können.
  • Stigma: Langeweile und Unterforderung am Arbeitsplatz sind in einer leistungsorientierten Gesellschaft häufig stigmatisiert und können daher Schamgefühle auslösen, da sie als Zeichen von Untätigkeit, Faulheit oder geringem Einsatz angesehen werden können.

Warum wird Boreout in der Gesellschaft überhaupt als „Luxusproblem“ gewertet? Anhand von drei Aspekten lässt sich dies herleiten:

  1. Berufliche Privilegien: Boreout tritt häufiger in beruflichen Umgebungen auf, in denen die Grundbedürfnisse von Mitarbeitern erfüllt sind, wie finanzielle Stabilität und Sicherheit. Entsprechend kann Unterforderung als Luxusproblem angesehen werden, da viele Menschen mit wesentlich ernsteren Herausforderungen konfrontiert sind.
  2. Soziale Wahrnehmung: In manchen Arbeitskulturen wird von Menschen erwartet, hart zu arbeiten und produktiv zu sein. Das Gefühl von Langeweile oder Unterforderung am Arbeitsplatz kann in solchen Umgebungen als undankbar angesehen werden.
  3. Mangel an Verständnis: Boreout wird oft nicht ernst genommen oder verstanden, da es weniger sichtbar ist als Burnout oder Stress am Arbeitsplatz. Dies kann dazu führen, dass Menschen, die unter Boreout leiden, Schwierigkeiten haben, Unterstützung oder Verständnis zu finden.

Betroffene könnten sich also fragen, warum sie sich unzufrieden fühlen, wenn sie doch scheinbar „alles haben“, was sie brauchen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass Boreout ein reales Problem ist, das die physische und psychische Gesundheit durchaus beeinträchtigen kann. Es sollte daher keinesfalls als bloßes Luxusproblem abgetan werden, da es für diejenigen, die darunter leiden, eine echte Belastung darstellen kann.

Umgang mit Boreout

Vielleicht fragen auch Sie sich oft, welchen tieferen Sinn Ihre Arbeitsaufgaben haben und ob sich das alles noch für Sie „lohnt“. Statt motiviert an die Arbeit zu gehen, starren Sie immer öfter ins Leere. Jeder Arbeitstag scheint wie der vorherige: eintönig und wenig herausfordernd. Es macht Sie unglücklich, dass sich nichts verändert. Was können Sie tun?

  • Transparenz: Sprechen Sie mit Ihrem Vorgesetzten oder Ihrer HR-Abteilung über Ihre Gefühle. Transparente Kommunikation ist der Schlüssel, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen.
  • Selbstmotivation: Versuchen Sie, sich selbst zu motivieren, indem Sie neue Fähigkeiten erlernen, sich neue Ziele setzen und sich herausfordern. Nutzen Sie Ihre Zeit, um sich weiterzubilden.
  • Neuorientierung: Wenn sich die Situation nicht verbessert und Sie über längere Zeit unglücklich sind, könnten Sie einen Jobwechsel in Erwägung ziehen. Dies sollte jedoch gut geplant sein, um nicht wieder in eine ähnliche Situation zu geraten.

Das Gefühl des Scheiterns aufgrund fehlender beruflicher Perspektiven kann eine entmutigende Erfahrung sein. Dieser Leidensdruck kann aber auch als Gelegenheit zum Innehalten und Reflektieren und zur Neuorientierung genutzt werden. Wenn Sie sich fragen, ob Sie von einem Boreout betroffen sind, können Sie dies anhand dieser Checkliste für sich klären:

  1. Während der Arbeitszeit erledigen Sie wiederholt private Angelegenheiten oder kommunizieren per E-Mail mit Kollegen über persönliche Themen.
  2. Sie geben vor, viel Arbeit zu haben, obwohl Ihre tatsächliche Arbeitsbelastung gering ist.
  3. Nach Ihrem Arbeitstag fühlen Sie sich erschöpft, obwohl er eigentlich nicht stressig war.
  4. Sie „strecken“ Ihre Aufgaben absichtlich und arbeiten langsamer als erforderlich.
  5. Sie würden gerne den Job wechseln, jedoch hindern Sie finanzielle oder andere Gründe daran, diesen Schritt zu gehen.

Menschen können im Laufe ihres Lebens mit Perspektivlosigkeit im Job und einem damit einhergehenden Gefühl des beruflichen Scheiterns konfrontiert sein. Solche Phasen sind schwierig, bieten jedoch auch die Möglichkeit zur persönlichen Weiterentwicklung und Neuausrichtung. Mit professioneller Unterstützung können Sie Wege finden, um aus dieser Situation herauszukommen und Ihre berufliche Zufriedenheit wiederzuerlangen – das kann ein Wendepunkt in Ihrem Leben sein.

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