Totalausfall im Job

Burnout und das Gefühl, gescheitert zu sein

In unserer heutigen digitalisierten Arbeitswelt, die von ständiger Erreichbarkeit, Beschleunigung und wachsender Komplexität geprägt ist, zeigen Menschen immer häufiger Überlastungssymptome wie einen Burnout. Sowohl der selbst aufgebürdete Druck des Funktionierens als auch die äußeren sozialen Erwartungen und Leistungsanforderungen können die physische und psychische Verfassung belasten. Egal ob selbst initiiert oder fremd beeinflusst – aus Leistungsdruck kann sehr schnell Leidensdruck werden. Wenn den Betroffenen die täglichen Aufgaben zu viel werden und Überforderung ihren Alltag prägt, fürchten sie oft, den Anforderungen nicht mehr gewachsen zu sein und zu scheitern.

Ein Burnout wird als ein Zustand totaler körperlicher und emotionaler Erschöpfung erlebt, oft verbunden mit einem Gefühl von Minderwertigkeit und Hoffnungslosigkeit. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt ihn als ein dreidimensionales Syndrom, das durch chronischen Stress am Arbeitsplatz entsteht, der nicht erfolgreich bewältigt wurde. Es ist gekennzeichnet durch „Gefühle von Energiemangel oder Erschöpfung, zunehmende mentale Distanz zur Arbeit oder Gefühle von Negativismus oder Zynismus in Bezug auf die eigene Arbeit sowie verminderte berufliche Effizienz.“

Der Weg in den Burnout kann eine Entwicklung auf zwei Ebenen sein: Da sind zunächst einmal die Organisationen, die den hohen Druck aus dem Markt unmittelbar weitergeben und dabei oft persönliche Grenzen ihrer Mitarbeiter missachten. Diese sollen in weniger Zeit viel mehr als üblich schaffen oder länger dafür arbeiten, zulasten von Erholung, Familie und Privatleben.

Andererseits sind da auch die Menschen, die selbst keine Grenzen setzen. Sie funktionieren irgendwann nur noch und arbeiten ihr Dauersoll robotermäßig ab. Also lassen sie sich immer mehr aufdrücken, sind gefällig, strengen sich immer mehr an und überlasten sich dabei. Ihr Verhalten kann aus einer Abhängigkeit von Lob und Anerkennung resultieren, das auf einem mangelnden Selbstwertgefühl beruht. Ihren Wert schöpfen sie daraus, dass sie „exzellent performen“. Sie möchten gelobt werden, um sich wertvoll fühlen zu können. Es ist eine Form von Abhängigkeit, in der sie da stecken. Wenn es dann nicht so klappt wie gedacht, wächst die Angst vor Misserfolg.

Ein Burnout kann zudem mit starken Scham- und Schuldgefühlen einhergehen, die aus verschiedenen Gründen auftreten können:

  • Selbstschuld: Personen, die unter Burnout leiden, könnten sich selbst die Schuld geben und sich schämen, weil sie das Gefühl haben, ihre beruflichen Verpflichtungen nicht bewältigen zu können. Sie könnten denken, dass sie zu schwach oder zu unfähig sind, um mit den Anforderungen ihres Lebens zurechtzukommen.
  • Sozialer Vergleich: Menschen mit Burnout könnten sich mit anderen vergleichen und sich schämen, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Kollegen oder Freunde erfolgreicher und belastbarer sind.
  • Stigma: Das Thema Burnout kann in bestimmten Arbeitskulturen oder Gesellschaften immer noch stigmatisiert sein. Dies kann dazu führen, dass Menschen sich schämen, ihre Burnout-Symptome offen zu besprechen oder professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Es ist wichtig zu betonen, dass Burnout eine ernsthafte Gesundheitsstörung ist und keine Schwäche oder ein Zeichen von Versagen. Menschen, die unter Burnout leiden, sollten sich nicht schämen, vielmehr sich Hilfe suchen und lernen, ihre Grenzen zu kommunizieren.

Was einen Burnout forcieren kann

Doch wie kann es überhaupt dazu kommen? Zwischen einem Burnout und dem sodann aufkommenden Gefühl des Gescheitertseins gibt es eine Wechselwirkung:

  1. Wer nicht mehr mithalten kann, betrachtet sich als gescheitert und versucht, dies zu kompensieren – bis hin zum Burnout: Wenn jemand überlastet ist, sich erschöpft fühlt und Schwierigkeiten hat, seine Aufgaben zu bewältigen, kann er dies als Scheitern empfinden. Er kann den Eindruck haben, den Anforderungen nicht gerecht zu werden, was wiederum sein Selbstwertgefühl beeinträchtigt. Entsprechend versucht er, sich „noch mehr“ anzustrengen – und kann dabei seine Grenzen kaum wahrnehmen und sich dementsprechend schützen.
  2. Wer sich grundsätzlich im Leben als Versager wahrnimmt, kann schneller in einen Burnout schlittern: Wenn jemand Minderwertigkeitsgefühle und Selbstzweifel hat – sich also sowieso als gescheitert wahrnimmt, ist sein persönlicher Stresspegel ohnehin viel höher. Diese dauerhafte Stressbelastung kann das Risiko eines Burnouts zusätzlich verstärken, da der Druck, funktionieren zu müssen noch viel größer und die Fähigkeit zur Entspannung und Regeneration immens beeinträchtigt ist.

In vielen Fällen kann ein Burnout das Gefühl des Gescheitertseins noch verstärken. Menschen, die sich ausgebrannt fühlen, sind fast nicht mehr in der Lage, ihre Aufgaben und Ziele erfolgreich zu erfüllen – und sind deshalb von sich selbst enttäuscht. Oft geben sie dann dem Umfeld die Schuld dafür, statt Verantwortung für ihr Ausgebranntsein zu übernehmen. Umgekehrt kann auch ein lebenslanges Empfinden, ein (vermeintlicher) Looser zu sein, die Überlastung obendrein intensivieren, was wiederum das Burnout-Risiko zusätzlich noch steigern kann.

Seine Grenzen kennen und in Balance bleiben

Mit dem Burnout ist die persönliche Krise da. Doch solch eine Krise kann der Ausgangspunkt für eine wirkliche Transformation sein. Dazu ein Beispiel aus meiner Praxis: Eine erfahrene Führungskraft kam nach einem Burnout ins Coaching, weil sie das starke Gefühl hatte, beruflich gescheitert zu sein. Sie fühlte sich wertlos und war fest davon überzeugt, in ihrer Rolle versagt zu haben. Ein zentrales Thema im Coaching war ihre Angst, in der Phase des beruflichen Wiedereinstiegs erneut zu versagen. Ihr Bedürfnis war, mehr Leichtigkeit und Gelassenheit zu entwickeln, ohne ständig das Gefühl zu haben, über ihre Grenzen gehen zu müssen.

Bald wurde deutlich, dass ihr Selbstwertgefühl in hohem Maße von ihrer Arbeitsleistung abhängig war. Sie war überzeugt, dass nur perfekte und harte Arbeit einen wirklichen Wert hat. Einen großen Wendepunkt brachte die Reflexion über ihre Identität jenseits von beruflicher Leistung: Was macht sie aus, wenn sie nicht erfolgreich ist? Dieser Prozess half ihr, ihr Selbstbild neu zu definieren. Sie wurde sich bewusst, dass sie sich ständig den Erwartungen anpasst, anstatt mehr auf ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu hören. Gemeinsam arbeiteten wir daran, ihr Bewusstsein dafür zu schärfen und Anzeichen von Überforderung frühzeitig zu erkennen.

Zum Abschluss unserer Coaching-Sitzungen konnte sie bereits große Fortschritte vorweisen: Sie hatte nicht nur gelernt, sich besser abzugrenzen und „Nein“ zu sagen, sondern auch, sich selbst treu zu bleiben. Diese Erkenntnisse ermöglichen ihr nun einen resistenteren Umgang mit den Anforderungen ihrer Arbeit.

Umgang mit einem Burnout

Wenn Sie auf dem Weg in einen Burnout oder vielleicht schon krankgeschrieben sind, weil Sie sich ständig erschöpft und ausgebrannt fühlen, gilt es, zügig zu neuer Balance zu finden und Ihr Selbst und Sein jetzt wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken.

  • Selbstakzeptanz: Negative Gedanken, sich selbst die Schuld zu geben und sich als Versager zu sehen, können Ihren Genesungsprozess erschweren. Hilfreich ist, sich bewusst zu machen, dass ein Burnout in vielen Fällen auf ungünstige Arbeitsbedingungen, übermäßigen Stress und ungesunde Verhaltensweisen zurückzuführen ist, die über einen längeren Zeitraum hinweg auftreten. Selbstakzeptanz beinhaltet, sich selbst mit Mitgefühl zu betrachten und anzuerkennen, dass niemand gegenüber derartigen Belastungen immun sein kann.
  • Selbstfürsorge: Die Sorge um sich selbst ist von entscheidender Bedeutung, um sich nach einem Burnout zu erholen und langfristig Wohlbefinden und psychische Gesundheit aufrechtzuerhalten. Es ist ein kontinuierlicher Prozess. Hören Sie auf Ihre Bedürfnisse und passen Sie Ihre Lebensweise entsprechend an, um langfristig eine bessere Balance und Gesundheit zu erreichen. Es ist keine Schwäche, sich um sich selbst zu kümmern – also Verantwortung für sich zu übernehmen. Im Gegenteil: Es ist ein Zeichen von Stärke und Selbstachtung.
  • Prioritäten: Überlegen Sie, was wirklich wichtig für Sie ist. Vielleicht kann dies bedeuten, künftig weniger Stunden zu arbeiten, mehr Aufgaben zu delegieren oder sich beruflich neu auszurichten. Das Setzen und Aufrechterhalten von Prioritäten ist ein Schlüssel zur Prävention von Burnout und zur Förderung des persönlichen Wohlbefindens. Es erfordert kontinuierliche Achtsamkeit, Aufmerksamkeit und Anpassung, um sicherzustellen, dass Sie auf Ihrem eingeschlagenen Weg auch bleiben.

Ein Burnout kann Auslöser dafür sein, dass Menschen ihre Vorstellung von Erfolg und Scheitern neu überdenken. Erfolg sollte nicht ausschließlich an Leistung und äußeren Maßstäben gemessen werden, sondern auch an persönlicher Widerstandskraft und innerer Zufriedenheit. Die Auseinandersetzung damit bietet die Gelegenheit zu einer tiefgreifenden Transformation. Sie kann dazu ermutigen, seinen Lebensweg bewusster zu gestalten, eine gesündere Life-Balance zu finden und sein Wohlbefinden zu schützen. Diese Gelegenheit zur Selbstreflexion und Veränderung können Sie nutzen, um auf lange Sicht ein erfüllteres und ausgeglicheneres Leben zu führen.

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